Ein älterer Mann aus Speyer will seinen Grauen Star bei einem Augenarzt behandeln lassen. Weil er danach schlechter sieht als vorher und sogar eine Notfallbehandlung nötigt wird, fordert er Schmerzensgeld. Wie das Landgericht die Sache sieht.
Zweimal ist ein älterer Mann aus Speyer im Frühsommer 2019 wegen eines sogenannten Grauen Stars am rechten Auge operiert worden. Danach hat er nicht – wie erwartet – besser, sondern deutlich schlechter gesehen. Der Speyerer hat den Augenarzt, der ihn behandelt hat, auf Zahlung von 15.000 Euro Schmerzensgeld und rund 359 Euro Schadenersatz verklagt, weil der Fehler bei der Behandlung gemacht habe. Verhandelt hat über diese Klage die 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal. Der Augenarzt ist nicht zum ersten Mal von Patienten verklagt worden.
Bei dem Speyerer war vor einigen Jahren erstmals eine sogenannte Kataraktoperation am rechten Auge durchgeführt worden. Bei dieser ambulanten Operation wird die eingetrübte Augenlinse durch eine künstliche Linse ersetzt. Nach dieser Operation habe er wieder besser gesehen, bis zum Jahr 2019, so der Speyerer.
Keine ordnungsgemäße Dokumentation
Am 23. Mai und am 6. Juni 2019 wurde der Speyerer am rechten Auge operiert. Vor und nach den Eingriffen war er mehrfach bei dem Augenarzt. Zwei Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass der Augenarzt mehrere Fehler gemacht hat. Was das für Fehler sind und welche Folgen diese Fehler haben, das wurde in der Verhandlung mit dem medizinischen Gutachter Christian Steinkohl erörtert.
Nach Angaben von Rechtsanwältin Iris Harbusch wurde ihr Mandant vor dem ersten Eingriff am 23. Mai nicht ausreichend über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt und es liege keine ordnungsgemäße
Einwilligung zu der Operation vor. Der Augenarzt, der nicht zu der Verhandlung geladen war, da die Kammer dies nicht für erforderlich hielt, habe diesem Vorwurf zwar über seinen Anwalt Friedrich Walter schriftlich widersprochen, doch die Ausführungen seien nicht ausreichend, um zu beweisen, dass der Vorwurf nicht zutrifft, sagte die Vorsitzende Richterin Kirsten Kaltenhäuser.
Vorab nicht genau hingeschaut
Laut den Gutachtern hat der Augenarzt auch seine Dokumentationspflicht nicht ausreichend erfüllt. Diese beinhaltet, dass Untersuchungen, Behandlungen und ähnliches dokumentiert werden müssen. Dass der Mediziner dies nicht ausreichend getan habe, sei ein Fehler und erschwere außerdem die Klärung, ob weitere Fehler gemacht wurden. Nach Angaben von Kaltenhäuser ist die Dokumentation auch teilweise falsch. So sei beispielsweise an einem Termin vermerkt, dass in das rechte Auge eine Kunstlinse eingesetzt worden sei, obwohl das nachweislich nicht stimme.
In den Patientenunterlagen des Speyerers ist nach Angaben des Sachverständigen nicht dokumentiert, ob im Zeitraum vor der ersten Operation eine Biometrie erfolgte. Diese Vermessung mehrerer Teile des Auges sei erforderlich, um festzustellen, welche Stärke bei der Kunstlinse benötigt wird. Nach „den Leitlinien“ müsse die Biometrie bei erweiterter Pupille erfolgen, so der Sachverständige.
Gutachter sieht „groben Behandlungsfehler“
Bei der ersten Operation wurde laut den Unterlagen die alte Kunstlinse entfernt, aber keine neue eingesetzt, weil die benötigte Speziallinse in der Praxis nicht vorrätig gewesen sei. Wenn die Biometrie mit erweiterter Pupille durchgeführt worden wäre, hätte man mit großer Wahrscheinlichkeit erkennen können, dass eine
Speziallinse benötigt wird, so der Sachverständige. Wegen der fehlenden Dokumentation könne man nicht sagen, ob dies erkannt worden war. Ebenso könne man nicht sagen, ob im Auge vor den Operationen bereits ein Zentralnervenverschluss war, der einer der Gründe für den Verlust der Sehkraft ist, oder ob dieser
Zentralnervenverschluss eine Folge der Operationen ist.
Am 6. Juni 2019 wurde der Speyerer erneut operiert, aber wieder keine Kunstlinse eingesetzt, weil sein
Augendruck zu hoch gewesen sei. Wie der Speyerer berichtete, hat er zwischen den beiden Operationen und nach der Operation im Juni Schmerzen gehabt, mit dem rechten Auge fast nichts mehr gesehen und es habe Blutungen im Auge gegeben. Sicher sei, dass die Nachsorge nach den Operationen unzureichend und
mangelhaft war, das sei ein „grober Behandlungsfehler“, so der Gutachter.
Als Notfall nach Ludwigshafen
Am 2. August 2019 ging der Mann auf Drängen von Verwandten zu einer anderen Augenärztin. Die überwies ihn als Notfall in die Augenklinik in Ludwigshafen. Dort wurde der ältere Mann zwei Mal am Auge operiert. Doch ist er nach wie vor auf dem rechten Auge fast blind, dadurch ist sein Gesichtsfeld eingeschränkt, er ist nach eigenen Angaben deshalb schon mehrfach gestürzt und hat inzwischen Pflegestufe drei attestiert
bekommen.
Der Augenarzt müsse für seine Behandlungsfehler und die unzureichende Aufklärung haften, so Kaltenhäuser. Als Vergleich schlug die Kammer vor, dass der Augenarzt 10.000 Euro Schmerzensgeld und 359 Euro Schadenersatz zahlen muss. Der Kläger müsse drei Fünftel der Kosten des Verfahrens, der Augenarzt zwei Fünftel zahlen. Beide Parteien stimmten dem Vergleich zu, jedoch mit dem Vorbehalt, dass sie ihre Zustimmung bis 15. März zurückziehen können.
Am 27. April will die Kammer verkünden, wie der Prozess letztendlich ausgeht.
Zeitungsartikel aus der „Rheinlandpfalz“ vom 17.02.2023