Praxisinhaber sollen und dürfen Aufgaben an ihre Fachangestellten delegieren. Nicht zuletzt die Politik fordert stetig, so auch Versorgungslücken abzufedern. Doch was passiert, wenn der Fachangestellten ein Fehler unterläuft?
Zu viel Bürokratie, ein hohes Patientenaufkommen und die steigenden Ansprüche der Patienten machen es notwendig, dass Praxischefs ihre Medizinischen Fach-angestellten (MFA) stärker in die Patientenversorgung einbeziehen. Doch wie weit darf die Delegation gehen? Und inwieweit werden Fehler, die der MFA unterlaufen, von der Berufshaftpflichtversicherung des Praxis-inhabers mitgetragen?
Orientierung bietet den Praxen zwar die Vereinbarung zur Delegation ärztlicher Leistungen, auf die sich Kassen-ärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband bereits im Herbst 2013 geeinigt haben. Doch die gewünschte Rechtssicherheit bietet auch diese Vereinbarung, die den Bundesmantelvertrag Ärzte als Anlage 24 ergänzt, nicht.
„Nicht delegationsfähig sind Leistungen, die zum Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit zählen“, erklärt die auf Medizinrecht spezialisierte Rechtsanwältin Claudia Reich aus der Kanzlei Boemke & Partner in Leipzig. Darunter fallen laut der Juristin die Diagnosestellung und die Therapieempfehlung, invasive diagnostische-Eingriffe, Entscheidungen über sämtliche Therapie-maßnahmen und alle operativen Eingriffe.
Vorsicht beim Aufklärungsgespräch
Aber auch das Aufklärungsgespräch zählt, wie die Rechtsprechung immer wieder belegt hat, zu diesen Kernbereichen. Die MFA darf den Arzt zwar beim Aufklärungs- und auch beim Anamnesegespräch anhand eines standardisierten Anamnesebogens unterstützen – so steht es in der Delegationsvereinbarung. Es ist aber nicht zulässig, die gesamte Risikoaufklärung auf das nichtärztliche Personal zu übertragen. Der Arzt muss die Angaben zudem im späteren Gespräch mit dem Patienten noch einmal überprüfen. Und er sollte dies unbedingt dokumentieren. „Aber auch außerhalb des Kernbereichs der ärztlichen Tätigkeit muss durch den Arzt entschieden werden, ob die Tätigkeit nicht aufgrund ihrer Schwierigkeit, Gefährlichkeit oder Unvorherseh-barkeit zwingend von ihm als Arzt erbracht werden muss“, mahnt Reich. Und: Der Arzt muss sich verge-wissern, dass die MFA über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt.
„Wir kommen hier in den Bereich des Organisations-verschuldens“, sagt Iris Harbusch, Rechtsanwältin und Mediatorin aus Hannover. Es reiche nicht, dass der Arzt die Mitarbeiterin aus-wählt, die fachlich für die jeweilige Aufgabe geeignet ist. Der Arzt müsse die MFA auch in der Tätigkeit anleiten und überprüfen, dass die MFA die Aufgaben umsetzen kann. Hierbei könne sich der Arzt zwar zum einen auf die Ausbildungs- und Fortbildungs-zeugnisse der MFA beziehen. Harbusch: „Er muss die Leistung aber dennoch stichprobenartig überprüfen.“
Versicherer schauen genau hin!
So sehen es übrigens auch die Haftpflicht-versicherer, erklärt Nadja Bürger von der Ecclesia Gruppe, einem auf das Gesund-heitswesen spezialisierten Versicherungs-makler. Der Arzt müsse bei der Delegation ärztlicher Leistungen neben dem Schutz des Patienten, zudem die Einhaltung des Facharztstandards gewährleisten. Helfen könne Ärzten hier die Entwicklung eines Gesamtkonzepts:
- Ein klar definierter Katalog delegierbarer Leistungen,
- Festlegung der Personen und der Tätigkeiten,
- Qualifikation des nicht-ärztlichen Personals samt Qualifikationsnachweisen,
- klare und systematische Hinzuziehungsregeln,
- klare Organisation und Regeln für die Zusammenarbeit von Arzt und nicht-ärztlichem Personal.
Für Fehler, die bei einer zulässigen Delegation passieren, besteht in der Regel aber Versicherungsschutz im Rahmen der Berufshaftpflicht-Versicherung des Praxis-inhabers, erläutert Nadja Bürger. Das gilt nicht nur für Fälle, bei denen die Praxis aus Organisationsverschulden oder der Arzt aus Auswahlverschulden und Kontroll-versäumnis haftet, sondern auch dann, wenn die MFA unter Umständen aus Übernahmeverschulden in die Haftung kommt. Denn: „Wenn eine Mitarbeiterin un-sicher ist, hat sie die Pflicht nachzufragen“, stellt Iris Harbusch klar. Sei sie für eine Aufgabe nicht qualifiziert, müsse sie dies dem Arzt mitteilen und ggf. die Umsetzung verweigern. Andernfalls ist die Frage eines Übernahmeverschuldens zu klären.
Zeitungsartikel aus: „www.aerztezeitung.de“